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Risikoschwangere in Level IV-Kliniken: Eine unterschätzte Gefahr?

Die Geburt eines Kindes ist ein einzigartiges und emotionales Ereignis. Umso wichtiger ist es, dass werdende Eltern sich sicher fühlen und optimal medizinisch betreut werden. Doch Recherchen zeigen: In Deutschland entbinden einige Risikoschwangere in sogenannten Level IV-Geburtskliniken – Kliniken, die für diese Fälle eigentlich nicht ausgestattet sind.

Was sind Level IV-Geburtskliniken?

Level IV-Kliniken sind Gebärstationen mit der niedrigsten medizinischen Versorgungsstufe. In der Regel sind dort weder Kinderärzte noch spezialisierte Gynäkologen rund um die Uhr verfügbar. Auch fehlen oft Kinderintensivstationen oder spezialisierte pädiatrische Abteilungen. Laut Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sollten Risikoschwangere daher in Kliniken mit höherem Versorgungslevel, wie Universitätskliniken, entbinden.

In Deutschland bieten aktuell 568 Krankenhäuser Geburtshilfe an. Davon zählen 251 Einrichtungen zur niedrigsten Versorgungsstufe, den Level IV-Geburtskliniken. Diese Zahlen gehen aus einer Umfrage von BR, MDR, SWR und rbb hervor. Laut dem bayerischen Gesundheitsministerium gibt es im Freistaat 91 Kliniken mit Geburtshilfe, darunter 51 Level IV-Häuser. Damit liegt Bayern bundesweit auf Platz zwei hinter Nordrhein-Westfalen, wenn es um die Anzahl dieser niedrig ausgestatteten Geburtskliniken geht.

Wer zählt zu den Risikoschwangeren?

Nicht jede werdende Mutter über 35 gehört automatisch zu den Risikoschwangeren. Es geht vielmehr um ernsthafte Risikofaktoren wie extremes Übergewicht (BMI über 35), Verdacht auf Plazentalösung oder schwere Formen der Schwangerschaftsvergiftung (Präeklampsie). Bei solchen Komplikationen wird eine Entbindung in spezialisierten Kliniken empfohlen, die eine umfassende Betreuung von Mutter und Kind sicherstellen können.

Warum entbinden dennoch Risikoschwangere in Level IV-Kliniken?

Trotz klarer Empfehlungen sind die Richtlinien des G-BA rechtlich nicht bindend. Das führt dazu, dass einige Kliniken Risikoschwangere aufnehmen, obwohl sie nicht über die notwendige Ausstattung verfügen. Recherchen belegen 17 dokumentierte Fälle in mehreren Bundesländern, darunter Bayern, Niedersachsen und Brandenburg. Die Folgen können gravierend sein: Neugeborene mussten nach Komplikationen in spezialisierte Kinderkliniken verlegt werden – manchmal mit schweren gesundheitlichen Konsequenzen.

Der Fall Wasserburg: Wenn die Sicherheit ins Wanken gerät

Ein besonders drastisches Beispiel ist die Geburtsklinik in Wasserburg am Inn. Nach BR-Informationen entbanden dort mehrfach Risikoschwangere, obwohl nach den Leitlinien eine Verlegung in eine höher ausgestattete Klinik nötig gewesen wäre. 

Ein Beispiel: Eine Patientin mit einem BMI über 50 wurde in Wasserburg entbunden, obwohl die Adipositas-Leitlinie eine Entbindung in einer höheren Versorgungsstufe vorsieht. Das Neugeborene musste verlegt und intensivmedizinisch versorgt werden. Experten bewerten solche Fälle als besonders risikobehaftet.

Seit 2023 untersucht die Staatsanwaltschaft Traunstein Vorfälle rund um die Geburtshilfe in der Klinik. Im Fokus stehen Geburten, die zwischen Oktober 2020 und Ende Januar 2023 stattfanden. Der Anfangsverdacht: ein Fall von fahrlässiger Tötung sowie mindestens elf Fälle von fahrlässiger Körperverletzung. Die Ermittlungen richten sich gegen eine Medizinerin, die die RoMed Kliniken Anfang 2023 verlassen hat.

Warum eine spezialisierte Versorgung so wichtig ist

Während der Geburt können jederzeit unvorhergesehene Komplikationen auftreten. Professor Mario Rüdiger, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin, fordert deshalb, dass Geburten nur noch in Kliniken stattfinden sollten, in denen ein Kinderarzt rund um die Uhr verfügbar ist. Seine Erfahrungen aus Sachsen zeigen: Durch die Schließung kleiner Kliniken und die Zentralisierung der Geburtshilfe konnte die Säuglingssterblichkeit erheblich gesenkt werden.

Auch internationale Beispiele wie Norwegen, Schweden oder Kanada belegen: Zentralisierte Geburtshilfe mit spezialisierten Einrichtungen verbessert die Gesundheit von Mutter und Kind nachhaltig.

Lesetipp: Geburt ohne Angst: Wie du dich gut vorbereitest und mit Schmerzen umgehen kannst

Was bedeutet das für werdende Eltern?

Die Wahl der richtigen Geburtsklinik sollte wohlüberlegt sein, besonders bei bestehenden Risikofaktoren. Informiert euch frühzeitig über die Ausstattung und das medizinische Angebot der Klinik eurer Wahl. Achtet darauf, ob eine Kinderintensivstation vorhanden ist und ob erfahrene Kinderärzte vor Ort sind. Sprecht offen mit eurer betreuenden Ärztin oder Hebamme über eure individuelle Risikosituation.

Denn jede Schwangerschaft ist einzigartig – und jedes Kind verdient den besten Start ins Leben.

Quelle: BR.de

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