Background

Geschwisterrivalität: Wenn aus Liebe Konkurrenz wird – und wie Eltern gut begleiten können

Ein neues Baby ist unterwegs oder gerade geboren – und plötzlich ist alles anders. Für viele ältere Geschwister bedeutet das: Alarmstufe rot. Geschwisterrivalität ist ein natürliches Phänomen, das viele Familien durchleben. Doch mit Wissen, Verständnis und liebevoller Begleitung können Eltern viel tun, um diesen Spannungen vorzubeugen und sie gut zu begleiten.

Was ist Geschwisterrivalität?

Geschwisterrivalität bezeichnet die Konkurrenz zwischen Geschwistern um die Aufmerksamkeit, Anerkennung und Liebe der Eltern. Sie ist ein ganz natürliches Phänomen in Familien mit mehreren Kindern – und kein Zeichen für schlechtes Verhalten oder „Misslingen“ der Erziehung. Besonders dann, wenn ein neues Baby geboren wird, können beim älteren Kind Unsicherheit, Eifersucht und Angst aufkommen. Plötzlich muss es Mama und Papa mit einem anderen Kind teilen – und das fällt vielen schwer.

Wichtig zu wissen ist: Hinter der Rivalität steckt oft keine Ablehnung des Babys, sondern eine tiefe Sehnsucht nach Sicherheit, Nähe und dem Gefühl, genauso wichtig zu sein wie vorher. Geschwisterrivalität ist daher kein Problem, das „gelöst“ werden muss, sondern ein Entwicklungsschritt, den Kinder mit liebevoller Begleitung gut meistern können.

Wie äußert sich Geschwisterrivalität?

  • Aggressives Verhalten gegenüber dem Baby (z. B. Schubsen, Kneifen)
  • Regressives Verhalten beim älteren Kind (z. B. plötzliches Einnässen, Babysprache)
  • Wutanfälle, Weinen oder Trotzreaktionen
  • Verstärkter Wunsch nach Nähe und Aufmerksamkeit
  • Ablehnung gegenüber den Eltern, insbesondere der Mutter

Diese Verhaltensweisen sind ein Signal: Das Kind fühlt sich unsicher und ringt um seinen Platz in der Familie.

Lesetipp: Wenn kleine Wut ganz groß wird: Aggressionen bei Kleinkindern verstehen und begleiten

Warum entsteht Geschwisterrivalität?

Geschwisterrivalität entsteht in erster Linie aus einem tiefen emotionalen Bedürfnis heraus: dem Wunsch nach Sicherheit, Zugehörigkeit und ungeteilter Liebe. Wenn ein Kind erfährt, dass es bald ein Geschwisterchen bekommt – oder wenn das Baby bereits da ist – gerät seine bisherige Welt ins Wanken. Was vorher sicher war, verändert sich plötzlich: Die Eltern sind abgelenkter, müder, das Baby wird ständig getragen, gefüttert, umsorgt. Für ein kleines Kind fühlt sich das manchmal so an, als würde ihm etwas weggenommen – nämlich die exklusive Aufmerksamkeit und Liebe der Eltern.

In der Psychologie spricht man in diesem Zusammenhang vom „Entthronungstrauma“. Das bedeutet: Das bisherige Einzelkind verliert seine Sonderstellung, seinen „Thron“, und muss sich nun neu orientieren. Diese Veränderung kann schmerzhaft sein, weil Kinder noch nicht die Fähigkeit haben, ihre Gefühle differenziert auszudrücken oder zu verstehen. Statt klar zu sagen: „Ich vermisse unsere Mama-Zeit“, zeigen sie ihre Not oft über Wut, Trotz oder Ablehnung – gegenüber dem Baby oder auch den Eltern.

Hinzu kommt, dass viele Kinder noch gar nicht erfassen können, dass Liebe nicht weniger wird, wenn man sie teilt. Für sie fühlt es sich zunächst so an, als würden sie ersetzt oder verdrängt – besonders wenn sie noch klein sind. Auch wenn Eltern viel Liebe geben: Wenn das emotionale Gleichgewicht aus Sicht des Kindes ins Wanken gerät, entsteht schnell Konkurrenzdenken.

Entscheidend ist: Geschwisterrivalität entsteht nicht, weil Kinder böse oder eifersüchtig „sein wollen“, sondern weil sie sich in einer neuen Rolle zurechtfinden müssen. Wenn Eltern das erkennen und die Gefühle ihres Kindes ernst nehmen, können sie liebevoll begleiten – und so verhindern, dass aus natürlichen Gefühlen dauerhafte Konflikte werden.

Wie können Eltern schon während der Schwangerschaft vorbeugen?

  • Kind einbeziehen: Zeige deinem Kind Ultraschallbilder, lies Bücher über Geschwister und sprich offen über das Baby.
  • Verbindung fördern: Lass dein Kind den Babybauch streicheln oder mit dem Baby sprechen.
  • Routinen bewahren: Verlässliche Tagesabläufe geben Sicherheit – auch während der Schwangerschaft.
  • Exklusive Mama-Zeit: Nimm dir bewusst Zeit nur für das ältere Kind – ganz ohne Baby-Thema.

Und nach der Geburt?

Nach der Geburt des Babys beginnt für die ganze Familie ein neuer Alltag – und besonders für das ältere Kind ist diese Phase eine große emotionale Herausforderung. Eltern können jedoch mit kleinen, aber wirkungsvollen Gesten dazu beitragen, dass sich das Geschwisterkind weiterhin gesehen und geliebt fühlt.

  • Begrüßung im Krankenhaus oder Zuhause bewusst gestalten: Wenn das ältere Kind das Baby zum ersten Mal sieht – sei es im Krankenhaus oder daheim –, sollten Eltern den Fokus bewusst auf das „große“ Kind legen. Begrüße dein Kind herzlich, nimm es in den Arm, zeige echtes Interesse: „Wie war dein Tag?“ oder „Ich hab dich so vermisst!“ Erst danach wird das Baby vorgestellt. Diese Reihenfolge vermittelt: Du bist wichtig. Du bist nicht vergessen.
  • Ein Geschenk „vom Baby“ überreichen: Eine schöne Geste ist ein kleines Willkommensgeschenk, das „das Baby mitgebracht hat“. Das kann ein Kuscheltier, ein Malbuch oder etwas sein, das genau den Geschmack des älteren Kindes trifft. So wird die Begegnung mit dem neuen Geschwisterchen positiv verknüpft – als Beginn einer besonderen Beziehung.
  • „Große Schwester“ oder „großer Bruder“ sein ist kein Job: Vermeide es, das ältere Kind ständig in eine verantwortungsvolle Rolle zu drängen. Aussagen wie „Jetzt musst du vernünftig sein“ oder „Du bist jetzt groß“ setzen unter Druck. Viel besser ist es, das Kind einfach Kind sein zu lassen – mit allen Gefühlen, die dazugehören.
  • Gefühle ernst nehmen – auch die unangenehmen: Wenn dein Kind traurig, wütend oder ablehnend auf das Baby reagiert, nimm das nicht persönlich. Sag stattdessen: „Du bist enttäuscht, weil ich so viel mit dem Baby beschäftigt bin – das darfst du sein.“ So fühlt sich dein Kind gehört und verstanden.
  • Qualitätszeit schaffen: Es müssen keine großen Unternehmungen sein – schon zehn Minuten exklusive Kuschelzeit, eine kleine Gute-Nacht-Geschichte oder ein Spaziergang nur mit Mama oder Papa geben deinem Kind das Gefühl: Ich bin gesehen.
  • Besuch gezielt lenken: Bitte Besucher, das ältere Kind zuerst zu begrüßen und nicht sofort alle Aufmerksamkeit auf das Baby zu richten. Fragen wie „Was hast du heute gemacht?“ oder ein kleines Mitbringsel helfen, das Selbstwertgefühl zu stärken.

Diese kleinen Maßnahmen haben eine große Wirkung: Sie geben dem älteren Kind Halt und Orientierung in einer Zeit des Umbruchs – und schaffen eine liebevolle Grundlage für die entstehende Geschwisterbeziehung.

Eifersucht ist keine Katastrophe – sie ist ein Ausdruck von Bindung

Geschwisterrivalität ist nicht das Ende der Harmonie, sondern Teil einer neuen Familiendynamik. Kinder müssen erst lernen, ihren Platz in der neuen Konstellation zu finden. Eltern können diesen Prozess liebevoll begleiten – mit Geduld, Verständnis und ganz viel Nähe. So wachsen Geschwister langsam zusammen – aus Rivalen werden irgendwann Vertraute fürs Leben.

Lesetipp: Trotzphase bewältigen: Mit Verständnis und Liebe durch die stürmische Zeit

© 2023 heinmedia Verlags GmbH | Impressum

Über Bauch und Baby

Wir sind ein Autorenteam das Sie mit den Inhalten versorgen möchte welches Sie in dieser wichtigen Phase des Lebens bewegen. Wir sind für sie daher und zwar hautnah! 🙂

Schreiben Sie uns was Sie Wissen möchten und abonnieren Sie ihren personalisierten Newsletter.

Login to enjoy full advantages

Please login or subscribe to continue.


Go Premium!

Enjoy the full advantage of the premium access.

Login

Stop following

Unfollow Cancel

Cancel subscription

Are you sure you want to cancel your subscription? You will lose your Premium access and stored playlists.

Go back Confirm cancellation